Syrien: Erdogan bei Putin

Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei

„Frage-Antwort“ vom 09.03.2020

Moderator: Guten Tag, Valeriy Viktorovich!

Valeriy Pyakin: Guten Tag!

Moderator: Guten Tag, sehr geehrte Zuschauer, Zuhörer und Gäste im Studio! Heute ist der 09. März 2020. Die Verhandlungen zwischen Putin und Erdogan am 05. März sind zu Ende. Sie werden gebeten, diese Verhandlungen insgesamt zu kommentieren, sowie im Einzelnen auch die Äußerung des syrischen Präsidenten, dass, sollten die USA und die Türkei das syrische Gebiet nicht verlassen, alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um dieses Ziel zu erreichen. Und, wie ich bereits sagte, haben sich Putin und Erdogan am 05. März darauf geeinigt, das Feuer und die gemeinsamen Patrouillen in Idlib einzustellen. Jedoch ist das keine Vereinbarung über den Abzug der türkischen Truppen aus Syrien. Was ist der Sinn des Ganzen? Was hat Syrien gewonnen?

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Valeriy Pyakin: Sehr sehr viel. Aber alles der Reihe nach. Zumindest versuche ich, alles der Reihe nach aufzuzeigen, denn die Fragen sind so umfangreich und vielschichtig, dass unsere Hörer diese in vielerlei Hinsicht selbst vertiefen müssen. Wir zeigen nur Referenzpunkte und Tendenzen auf, die nötig sind, um die Information dahingehend zu vervollständigen, das die Ganzheit der Steuerungsprozesse verstanden wird.

Unmittelbar vor den Verhandlungen haben wir bereits ausreichend ausführlich über die Türkei gesprochen. Zwar auch im Schnelldurchlauf, doch im Allgemeinen wurde die Situation zwischen Russland und der Türkei in der Welt erklärt. Ich habe damals gesagt, das es einen gängigen Ausdruck gibt (er ist nicht ganz korrekt, gelinde gesagt): wen Gott bestrafen will, dem raubt er den Verstand. So handelte Erdogan, als er in Konfrontation mit Russland trat, so, als wäre er seines Verstandes beraubt worden. Und über diesen Aspekt werden wir nun etwas sachlicher sprechen.

Wir haben darüber gesprochen, dass Erdogan Russland verschiedene Ultimaten stellte, indem er Kriegsrhetorik gegen Russland anwandte: «Ich sage Putin jetzt, was Sache ist. Er soll vom ursprünglich türkischen (eigentlich vom syrischen, aber vom ursprünglich türkischen) Gebiet abziehen, er soll die Türkei und Syrien allein unter sich lassen». Dabei hat er nicht wirklich verstanden, dass man mit Russland auf eine solche Weise nicht spricht, egal in welchem Zustand sich Russland befindet. Denn Russland unter der Leitung Putins ist ein Subjekt der globalen Politik. Und jegliches Ultimatum, das in Bezug auf Russland gestellt wird, wird aus folgendem simplen Grund nicht stattfinden: in Russland gibt es einen bestimmten Konsens der klan-wirtschaftlichen Gruppierungen in Bezug auf die Türkei.

Russland lebte in den 1990er Jahren nach dem Prinzip, welches der damalige Außenminister Andrei Kosyrew verlautbarte, als er Nixon sagte, dass Russland keine eigenen nationalen Interessen hat: «Herr Ex-Präsident, sagen Sie, welche nationalen Interessen sollten wir haben?». Als Erdogan das Ultimatum stellte, stützte er sich auf seinen internen Einflussdienst – auf die Ami-Lakaien, die ihm zur Seite stehen würden, um seine Interessen zu schützen, sowie auch vor dem Hintergrund, Russland auszunutzen. In der Sendung von Solowjow (Anm. d. Red.: politische Talkshow in Russland) ist einer von denen aufgetreten – Said Gafurow, der zu «pravda.ru» gehört. Er hat dort buchstäblich am Rande der Hysterie versucht zu beweisen, das Russland keine eigenen Interessen hat und haben kann, außer: «Oh der große Sultan wird kommen, den unvernünftigen Putin zur Vernunft bringen und aufzeigen, was getan werden muss, um die Türkei zufrieden zu stellen». Und dann wird die Türkei Russland loben, aufmuntern oder was auch immer… Im Allgemeinen sind das ihre eigenen Probleme.

Also: Gafurow, wie auch der «Sultan», für den er arbeitet, versteht nicht, dass es keine Ressourcen dafür gibt, um Druck auf Russland auszuüben – die Möglichkeiten dazu sind schlicht nicht vorhanden. Verschiedene politische Funktionäre der Türkei haben versucht zu sagen: «Vergesst nicht, dass ein Teil eurer Bevölkerung islamisch ist». Doch wer hat gesagt, das dieser Teil pro-türkisch ist? Dieser Teil gehört zu uns. Es ist unser russischer islamischer Teil der Bevölkerung. Und wenn wir schon dabei sind, dann hat, im Gegensatz zu Erdogan, Tatarstan, beispielsweise, verstanden, dass es ohne Russland als Staat nicht existieren kann – in keinerlei Hinsicht. Als Staat nach dem Vorbild der Ukraine – gar kein Problem. Würde es der Bevölkerung Tatarstans (also nicht nur den Tataren, sondern allen, die auf dem Gebiet Tatarstans leben) gut gehen? – Nein. Deshalb, haben die «Eliten», wie russophob sie auch sein mögen, im Allgemeinen verstanden, dass Tatarstan, als politisches Subjekt, ohne Russland verschwinden würde und dementsprechend die Unterstützung des türkischen «Sultans» (wie ihn Manche gern betiteln) für dieselben «Eliten» kontraproduktiv wäre.

Diesbezüglich muss ein weiteres Moment erwähnt werden. Wenn die Frage über die staatenbildende Rolle des russischen Volkes aufkommt, so heißt es: «Die Völker werden beleidigt sein». Die Völker werden nicht beleidigt sein, und zwar aus einem einfachen Grund: Das russische Volk war es, das den Staat erschaffen hat, der ihre Kulturen bewahrt hat. Die «Eliten» sind beleidigt, die auf ihrer Nationalismus-Welle versuchen im Trüben zu fischen. Bei uns in Russland gäbe es die nationale Frage gar nicht, wenn die «Eliten» diese Spannung nicht zielgerichtet erzeugen würden. Warum sollten die Eliten auch nicht die nationale Frage aufwerfen, sie werden doch dafür gut in Dollar bezahlt – deshalb wachsen die Spannungen an. Unter den Völkern gibt es so etwas nicht. Die russische Welt zeichnet sich auch dadurch aus, dass, wenn ein Kosake in irgendein Gebiet kam, er eine Kultur zur Errichtung eines Vielvölkerstaates mitbrachte, die die Kultur eines kleinen Volkes bewahrte. Im Prinzip wurde also nicht gewaltsam alles vereint – nicht gewaltsam, sondern es wurde ein neues kulturelles Gebilde in dieses Gebiet, zu diesem Volk gebracht. Und dementsprechend erhielt das Volk, das zu einem Teil von Russland wurde, das Recht auf Leben. Um dieses Thema generell zu durchblicken, lesen Sie das Buch «Der Staat – das Überlebenssystem eines Volkes» (Anm. d. Red.: Bisher nur in russischer Sprache verfügbar). Doch das ist nur ein kleiner Aspekt, eine Abweichung von dem, worüber wir gerade sprechen.

Das heißt, Erdogan verfügt überhaupt nicht über die Stärke und die Möglichkeiten, auf die er sich hier innerhalb Russlands verlassen könnte, um einige seiner Probleme vom Standpunkt des Ultimatums und Diktates Russland gegenüber zu lösen. Denn die Möglichkeiten, die er hat, sind buchstäblich marginal und von geringer Bedeutung. Erinnern Sie sich, als Erdogan vor Kurzem die Ukraine besuchte und dort das Gesindel der ukrainischen Streitkräfte mit deren traditionellem Slogan «Ruhm der Ukraine!» begrüßte.

Da frage ich mich: warum hast du das getan? Kannst du die daraus resultierenden Folgen für dich nachvollziehen? Nein, das kann er nicht. Nun hat er diesen Slogan «Ruhm der Ukraine!» ausgerufen. (Was soll man denn machen, wenn das Bewusstsein der Kiewer Bande und dieses bewaffneten Gesindels der Ukraine (Anm. d. Red.: der ukrainischen Streitkräfte) vollkommen abhanden gekommen ist?) Und was ist infolgedessen in seinem Land passiert? – Die «Kiewer Rada» – eine ausgewachsene Massenschlägerei ereignete sich zwischen den Vertretern verschiedener politischer Richtungen.

Was also wurde dadurch sofort klar? – Ein bestimmter Teil der türkischen politischen Gemeinschaft versteht, dass Erdogan die Türkei in eine ausgewachsene Katastrophe führt. Und diese Katastrophe wird umso schlimmer und blutiger ausfallen, je stärker sich Erdogans Konfrontation mit Russland zuspitzt. Diese politische Gemeinschaft versteht, dass das Ausmaß der Katastrophe und des Blutvergießens überhaupt nicht von Russland abhängen – all das verursacht Erdogan selbst und die Quittung dafür wird er von seinen eigenen Partnern erhalten.

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Um wieder auf Erdogans Verstehen oder Nichtverstehen der laufenden Prozesse zurückzukommen: Wann kam Erdogan auf die Idee, der Welt zu drohen? Er sagte: «Ich werde jetzt alle Flüchtlinge aus dem Norden Syriens, die sich bei mir aufhalten, nach Europa schicken». Er hat sich im Jahr geirrt. Es war vielleicht 2015 möglich das als Druckmittel zu verwenden, doch jetzt befindet sich Europa in einem völlig anderen Zustand. Europa hat Erdogan bereits bezahlt, unwichtig was Erdogan sagt, dass die EU nicht gezahlt hätte – das sind deren interne Angelegenheiten. Der Kern der Sache ist folgender: Im Jahr 2015 waren für die Flüchtlinge alle Grenzen offen, sie wurden von Freiwilligen empfangen und durch eine mächtige informationelle Arbeit verschiedener Medien und Internetbereiche unterstützt. Es zielte also alles darauf ab, dass eine Migrationswelle Europa überflutet (obwohl schon damals Maßnahmen unternommen wurden, um dies zu verhindern, es gab bereits damals Widerstand)… Und 2015 war Erdogan in der Lage zu sagen: «Ich kann den Migrantenfluss erhöhen oder verringern». Aber wie sieht es jetzt aus? Jetzt ist Europa entschieden gegen eine weitere Flüchtlingswelle. Das heißt, Europa hat eine Reihe von Steuerungsmaßnahmen unternommen, in deren Rahmen Erdogans Drohung, Flüchtlinge loszuschicken, eine vollständige Konfrontation mit den EU-Ländern (u.a. auch im wirtschaftlichen Bereich) bedeutet, da diese Migranten dort nicht benötigt werden.

Nun hat er diese Migranten mit Bussen zur griechischen Grenze gebracht. Und jetzt? Die EU sagt: «Nein, es dürfen auf gar keinen Fall Migranten hier her kommen! Griechenland wird die volle Hilfe zugesichert, damit es verhindert, dass eine weitere Migrantenflut nach Europa kommt». Sofort wurden hunderte Millionen von Euro genehmigt, eine Delegation mit Ursula von der Leyen flog zur Grenze und die NATO verkündete: «Wir müssen jeglichen Strom von Migranten nach Europa verhindern».

Dabei gibt es aber einen interessanten Aspekt: In Griechenland besuchte Ursula von der Leyen die Grenze, um sich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen: türkische Spezialeinheiten und Polizisten treiben die Migranten in Richtung der griechischen Grenze, damit sie diese durchbrechen und sich dann auf europäischem Gebiet verteilen (Dabei haben die türkischen Spezialeinheiten und Polizisten bereits mindestens einen Menschen getötet und fünf verletzt um die Migranten herauszudrängen, weil sie niemand dort auf sie wartet: wenn die Grenze dicht ist, dann ist das so, dagegen lässt sich nichts machen). Doch an der türkisch-bulgarischen Grenze reichte Von der Leyen  ein Rundflug mit dem Hubschrauber. Warum? Weil Erdogan im Prinzip versteht, dass irgendetwas nicht stimmt, deshalb hat er beschlossen, das schwächste Glied herauszufordern, um die europäischen Partner nicht zu verärgern – er hat ja einen Konflikt mit Griechenland: Im Falle eines Falles, ist er definitiv in der Lage Griechenland das Leben schwer zu machen, d.h. er könnte irgendwelche Probleme arrangieren und dann später irgendwie wieder Frieden schließen. Er wird aber keinen Frieden bekommen, dort herrscht eine völlig andere Situation!

Weiter. Wir sprachen schon einmal davon, dass man abwarten muss, bis der Westen vollkommen davon überzeugt ist, dass die Türkei die Grundlage des internationalen Terrorismus ist, welcher eine Bedrohung für die gesamte Welt darstellt. Was dann auch so kam – man musste nur warten. Was ist unmittelbar vor den Verhandlungen passiert? Unser Verteidigungsministerium brachte zwei Nachrichten in Umlauf: Die erste Nachricht handelte davon, dass die türkischen Positionen mit denen der Terroristen praktisch verwachsen sind, und die zweite Nachricht davon, dass die Terroristen im Norden Syriens, die in Kontakt mit den türkischen Soldaten stehen, versucht haben einen Chemieangriff gegen die friedliche Bevölkerung durchzuführen. Das heißt, es wurde tatsächlich gesagt, dass die irregulären Einheiten der türkischen Armee terroristische Aktivitäten in Syrien durchführen. Dies wurde praktisch direkt gesagt.

Und als die türkische Armee in Syrien einmarschiert ist… Was war dabei wichtig? Egal, wie die Situation auch sein möge, aber die Wirtschaft eines jeden Landes muss die Möglichkeit der Kriegsführung gewährleisten. Denn Kriege sind sehr kostenintensiv. Und bereits am fünften Tag wendet sich die Türkei an die NATO: «Helft uns mit Munition aus, unsere reicht nicht. Unsere Drohnen werden abgeschossen. Und überhaupt, haben wir hier eine Menge Probleme – Hilfe, beschützt uns». Doch stattdessen heißt es: «Erstens, bist du derjenige, der dort eingefallen ist. Nicht du wurdest überfallen. Zweitens, bei uns dreht sich alles mehr um Europa und mit Asien haben wir eigentlich nichts zu tun. Wir unterstützen dich zwar, aber diese Situation hast du dir selbst eingebrockt». Faktisch haben alle diese Mechanismen – sowohl die Bitte um die Hilfe der NATO, als auch die gemeinsamen Aktionen der Türkei mit den terroristischen Organisationen – die politische Stabilität des Erdogan-Regimes in der Welt untergraben. Egal, wie er es dreht und wendet – er hat keine Optionen mehr.

Und in dieser Beziehung ist das Angebot des Iran sehr interessant: «Lass und ohne Russland ein Treffen veranstalten. Wenn es nötig ist, laden wir auch Syrien an den Verhandlungstisch und klären die Sache untereinander». Die Türkei wäre gern auf dieses Angebot eingegangen – sie hätte sich dafür entschieden, sich gegen Russland zu stellen. Aber das Problem ist, dass der Iran innere Schwäche gezeigt hat, und auch die Unfähigkeit, globale Aufgaben zu lösen. Dabei sind alle Verbindungen der türkischen Wirtschaft, und ihre politischen Stabilität, mit Russland verbunden: Die Gaspipeline, der Bau des Atomkraftwerks, sogar der Tomatenhandel und der Tourismus – der Iran kann das nicht lösen, das bedeutet, man muss sich Russland zuwenden, wenn diese Probleme gelöst werden sollen. Und wie soll der Iran die Konfrontation mit Europa lösen? (Natürlich auf rein staatlicher Ebene und nicht vor dem Hintergrund, dass der Iran ein Konzentrationszentrum der Steuerung ist, das global werden soll und hinter dem der eurasische Flügel des Globalen Prädiktors steht.) Um das verstehen zu können, muss man jedoch seine Staatspolitik auf derselben Ebene durchführen, auf der der Iran dieses Angebot gemacht hat. Aber Erdogan ist nicht in der Lage diese Steuerungsebene wahr zu nehmen – er ist UNFÄHIG.

Er wurde absichtlich in diesen Posten… Unwichtig, wer den Posten bekleidete, auf jeden Fall war Erdogans Machtantritt durch folgende Notwendigkeit bedingt: Der innere Kern der Türkei musste beseitigt werden – die Armee. Jeder, der an die Macht gekommen wäre, hätte das Projekt des Neo-Osmanismus wiederherstellen und die Armee so weit wie möglich schwächen müssen, damit sie nicht länger den stützenden Kern des Staates bildet – der Staat hängt an der Armee, wie die Christbaumkugel an einem Tannenbaum. Genau das hat Erdogan gemacht – er hat der Türkei ihre staatliche Stabilität genommen, die politische Stabilität, indem er die Armee zerstörte. Doch dazu wurde er verleitet.

Dementsprechend stellt sich ihm folgende Frage: Woher die gewaltige Kraft nehmen? Er wendet sich an die NATO, doch man sagt ihm: «Nein nein». Und was passiert vor diesem Hintergrund? Du hast einen Krieg in der Türkei. Aber hast du etwa nicht davon gehört, dass es in der Welt das Coronavirus gibt? Epidemie, Pandemie! Schau, sogar die Kriegsschiffe der US-Marine werden an Land beordert, unter Quarantäne gestellt, besonders die, die in deiner Region patrouilliert haben, sie waren gerade hier. Aber genau das wirft die Türkei vollkommen zurück. Und weiter: Das Coronavirus, als Steuerungsmodell, ist eine sehr ernst zu nehmende Sache. Und was geschieht mit Erdogan selbst? Sofort stellt sich heraus: Auch in der Türkei gibt es schon am Coronavirus Erkrankte. Dabei haben es die Türken selbst nicht bemerkt, ein Flugzeug mit einem Kranken musste zurückgeholt werden. Was bedeutet das? Die Türkei kann jederzeit unter vollständige Blockade gestellt werden.

Unter diesen Bedingungen muss jetzt Erdogan jetzt handeln. Er ging los und dachte: «Das reicht, jetzt lass ich Putin antreten!» Er begrüßte ihn demonstrativ herablassend. Man übersetzte vollkommen korrekt: «Herr Präsident», doch nannte er Putin auch demonstrativ erniedrigend ‘Chef’: So etwa «Nun, du bist auch sowas wie ein Regierungschef» Und, was erhielt er als Erwiderung? Er erhielt ein ganz normal und sachlich geführtes Gespräch. Dann kam Sergej Wiktorowitsch Lawrow hinzu und sagt: «Ach, wie mir deine Krawatte gefällt». Aber wir erinnern uns ja noch an einen bestimmten Krawattenfresser. Nur damit er für die Zukunft nicht vergisst, mit wem er sich unterhält, und in welchem Ton, also: «Du hast das Protokoll verletzt? Nun, auf die Weise hat man es dir in aller Öffentlichkeit auch zu verstehen gegeben. Du hast es selbst provoziert, dass man dich auf dein hübsches Krawattchen angesprochen hat».

So bricht also für Erdogan alles zusammen. Mit dem Coronavirus wird man ihn ins Abseits stellen, und was bleibt da noch zu tun? Was nur? Und so war er gezwungen, zu verhandeln.

Wenn von uns solche heftigen Bewegungen gefordert werden (z. B. jemanden bestrafen, oder ähnliches…), muss man verstehen, dass jegliches System in der Lage ist sich zu entfalten oder zumindest zu überleben, wenn seine verfügbaren Ressourcen größer oder zumindest ebenbürtig im Verhältnis zu dem von der Umwelt ausgeübten Druck sind, der Mangel an verfügbaren Ressourcen muss mit einer Erhöhung der Führungsqualität (oder Qualität der Steuerung) kompensiert werden – eine Regel der Hinreichend Allgemeinen Theorie der Steuerung, lesen Sie die KGS, wie es immer heißt. Also, in welcher Situation befinden wir uns? Die Situation ist ziemlich schlecht: Unsere sogenannten Eliten, die unseren wirtschaftlichen Block kontrollieren, sind stark an die äußeren Bedingungen gebunden, und dieser Umstand gestattet uns nicht, in vollem Ausmaß von der sechsten Priorität Gebrauch zu machen, um jemanden zur Besinnung zu bringen. Wir tun das im Rahmen unserer internationalen Abmachungen und Vereinbarungen mit den Globalisten. Doch Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer Situation, wo unsere Anwendung von Gewalt alternativlos wird und zumindest in dieser Phase zu einem gewissen Grad von unseren sogenannten Partnern unterstützt und dokumentarisch festgehalten wird. Wenn das nicht eingehalten wird, geschieht das Typische in unserer Welt. Totale Russophobie, Russland ist immer im Unrecht.

Man versucht uns ständig zu beschuldigen, dass wir das Minsker Abkommen nicht einhalten. Uns betreffen sie nicht, wir haben kein Kontingent dort. Weiß der Westen etwa nicht, dass sie uns nicht betreffen? Nur zu gut wissen sie es. Weiß vielleicht der Westen nicht, wer ständig die Feuerpausen verletzt und [die Gegenseite] beschießt, und dass in Kiew ein Regime herrscht? Sie wissen es nur zu gut, sie selbst haben es ja für die Aufgaben installiert, die dieses Kiewer Regime jetzt gegenüber Russland verwirklicht. Aber die Möglichkeit, sie jedesmal auf das diplomatische Dokument zu verweisen, ist ein sehr wirksames Mittel zur Verfolgung der eigenen Politik. Deshalb fixiert Putin jedes Mal jede Bewegung. Ebenso wurden sie in diesem Fall im Verhältnis zu Erdogan durch das Sotschi Abkommen von 2018 festgeschrieben.

Und als Erdogan sagte: «Die syrische Regierung hat Positionen eingenommen, die unter unserer Leitung stehen sollen», wurde ihm konkret geantwortet: «Diese Positionen sollten sich unter Ihrer Kontrolle exakt so lange befinden, wie Sie zur Trennung der “guten” Terroristen von den “schlechten” Terroristen brauchen. Haben Sie das getan? Nein. Die Terroristen haben den syrischen Staat überfallen. Syrien ist als Staat dazu verpflichtet, auf dem EIGENEN Territorium die Ordnung wiederherzustellen (Sie sind es, die sich nicht auf dem eigenen Territorium befinden!). Deshalb haben die Syrer dies Territorium auch eingenommen. Das war’s, dort sorgen sie jetzt für Ordnung. Versuch’ du es jetzt auf dem restlichen Territorium, wir sind uns doch einig. Trenne du die Terroristen von einander».

Deshalb ist dieser vor sich hin glühende Krieg trotz allem besser, als ein Krieg, der eine weitaus größere Anzahl an Steuerungssubjekten in Syrien einbinden würde. Wäre es etwa besser, wenn amerikanische Militärs laufend Bericht erstatten würden, dass «amerikanische Bomber hier und da und dort vorbeigeflogen sind, so-und-so viele Bagger, Raupenschlepper und Autos zerstört haben» (d. h. dass sie die Infrastruktur vernichtet und den Wiederaufbau des Staates verhindert haben)? Nein. Jetzt sind die USA vom Platz gestellt.

Und was geschieht mit der Türkei? Stellt man einen Vergleich an, ist es eine erdrosselnde Umarmung, etwa so, wie eine Würgeschlange ihr Opfer erwürgt. Es ringt nach Atem und jedes mal wenn es einen Atemzug machen muss,  zieht die Schlange ihren Würgegriff enger zusammen. Dasselbe passiert mit der Türkei: Jedes Mal, wenn sie sich irgendwo aktiv unter Verletzung der Vereinbarungen auch nur rühren, zieht sich der Ring noch enger zusammen, so lange, bis sie aus Syrien herausgedrängt werden. Warum muss man das das so machen? Zur Diskreditierung der gesamten türkischen Politik und der Politik all ihrer Bündnispartner. Weil die globale Komponente der Politik so (beschaffen) ist. Stalin musste z. B. die polnische Anders-Armee aufstellen, sie kämpfte überhaupt nicht auf europäischem Territorium, dem Territorium Polens, sie kämpfte irgendwo im Nahen Osten, in Italien für die Interessen seiner Herren.

Hier gibt es also sehr viele ineinander verschachtelte Prozesse. Und da wir zur Zeit die Türkei nicht aus den aktiven Spielern ausschließen können, und die Entfachung eines Krieges in vollem Umfang im Norden Syriens und der Türkei nicht in unserem Interesse ist, müssen wir das Maß des Blutvergießens maximal verringern, damit sich in der Türkei alles auf POLITISCHEM Wege regelt, so sanft wie möglich. Aber für Erdogan wird das trotzdem eine Katastrophe. Er wird, auf welche Weise auch immer, die Türkei dazu führen, dass es eine Entscheidung über ihre Aufteilung geben wird – etwas in der Art des Vertrags von Sèvres von 1920. Er selbst ist es, der dazu antreibt! Soll er nur machen. Jedesmal, wenn er etwas tut – zieht sich der Würgegriff enger zusammen, tut er wieder etwas – zieht es sich noch enger zusammen, und so drängen wir ihn aus Syrien hinaus und regeln allgemein die Frage der Rückgabe der SYRISCHEN Territorien, die Frankreich vollkommen rechtswidrig im XX. Jahrhundert an die Türkei abgegeben hat.

Hier ist noch vieles Andere involviert. Auch das ist wiederum sehr verkürzt und in Leitgedanken.

Moderator: Nichtsdestotrotz arbeiten wir schon über eine halbe Stunde.

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2 Gedanken zu “Syrien: Erdogan bei Putin

  1. Sehr schön! Mir fehlte bislang der Einblick, warum Recep Tayyip Erdoğan so schöne Krawatten trägt! Köstlich auch, wie man ihn und seine Begleiter minutenlang im Kreml herumstehen ließ, bevor der Präsident ihn freundlich begrüßte! Sein Gesichtsausdruck erinnerte mich an einen ertappten Schüler, der etwas ausgefressen hatte, und darauf wartete, zum Schulleiter eingelassen zu werden.

    Saakaschwili frühstückt seinen Schlips

    … während Angela Merkel an ihren Fingernägeln kaut, weil sie keine Krawatte trägt.

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