Migration und Weltanschauung

Wie soziale Faktoren globale Prozesse beeinflussen können

„Frage-Antwort“ vom 07.04.2014

Moderator: Guten Tag verehrte Zuschauer, Zuhörer und Gäste im Studio! Heute ist der 7. April 2014.

Eine Frage von Pavel: «Bei den Ereignissen in der Ukraine und der Umgestaltung  der Welt sollte man die Beziehungen zwischen dem russischen und dem deutschen Volk nicht ignorieren, denn das sind auch die Beziehungen der “Eliten”. Die Geschichte der Rus kennt die Westslawen, die Slawen auf dem Gebiet Deutschlands und die Besiedlung der fruchtbaren Böden der Schwarzerde-Region, der Ukraine und des Kaukasus durch deutsche Kolonisten, von der Zeit Peters bis zum Ende des XIX. Jahrhunderts. Peter holte jedoch vor allem Steuerungs- und militärisch-wissenschaftliches Personal ins Land. Die deutschen Kolonien waren die ganze Zeit über ein Staat im Staat; sie hatten ihre eigene Wirtschaft, Schule und Regierung, Sprache und Religion. Sie erhielten Privilegien, was bei der lokalen russischen Bevölkerung für Unmut sorgte. Im Zweiten Weltkrieg setzte Hitler in hohem Maße auf den deutschen Faktor im Hinterland der UdSSR. Teilweise rentierte sich das, weshalb Millionen Deutsche unterdrückt und nach Sibirien, in den Ural und nach Kasachstan verbannt wurden. Und während der Perestroika begannen nun bereits sowjetische Deutsche mit russischer Weltanschauung massenhaft nach Deutschland auszuwandern – eher aus wirtschaftlichen, als aus historisch-kulturellen Gründen. Fünf Millionen Träger der russischen Weltanschauung im Zentrum der westlichen Kultur sind ein ernstzunehmender Faktor.

Frage: Valeriy Viktorovich, von welchen Positionen der Steuerung aus finden Ihrer Meinung nach solche Migrationen statt – geht das von GP oder den Landes- “Eliten” aus?»

Valeriy Pyakin: Also, der Globale Prädiktor kann die Migration nicht aufhalten. Er kann sie nur bis zu einem gewissen Grad regulieren, aber seine Möglichkeiten sind ziemlich begrenzt. Wenn er die Massenmigration nach Australien und Amerika (vor allem in die Vereinigten Staaten) regulieren konnte, so konnte er dies im Rest der Welt nicht in nennenswertem Umfang tun. Doch selbst die Vernichtung der einheimischen Bevölkerung und die Schaffung einer neuen sozialen Gemeinschaft auf der Grundlage der Menschen, die in diese Gebiete kamen, konnte nicht zu dem vom Globalen Prädiktor gewünschten Ergebnis führen. So wurden beispielsweise Sträflinge nach Australien verbannt (das war generell eine Insel für Sträflinge), woraufhin dort ein Staat und eine Polizei aus ehemaligen Sträflingen entstand.

Das heißt, der Globale Prädiktor kann diese Prozesse nur bis zu einem gewissen Grad korrigieren und lenken, aber er kann sie nicht alle erfassen und vollständig steuern. Um so mehr übersteigt das die Macht der Landes-”Eliten”, die kein Ahnung von der globalen Politik haben. Die Landes-”Eliten” arbeiten innerhalb dieser Migrationsprozesse nur auf Grundlage der eigenen Landesinteressen, wie das von Ihnen zitierte Beispiel von Peter I. und Katharina II. zeigt.

Aber in jedem Fall kommt es zu einem gegenseitigen Informationsaustausch, zu einer Angleichung der Kulturen und zur Entstehung einer anderen Art von menschlichen Beziehungen. Einer nicht-konfrontativen. Warum haben denn eigentlich die Migranten Europa verlassen? Die hohe Bevölkerungsdichte führte zu einer großen Konfrontation zwischen den Menschen. So verringerte die Besiedlung von freiem Grund und Boden die sozialen Spannungen in Westeuropa, verstärke sie aber nicht in Russland. Ja, es gab damals bestimmte Momente zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Neuankömmlingen, z.B. wurden die Ureinwohner  in Australien und den Vereinigten Staaten praktisch vertrieben, es gab Reibereien zwischen der russischen Bevölkerung und den deutschen Einwanderern. Aber, wenn wir mal zurückdenken, wann sind denn diese Reibereien aufgetreten? Erst im XX. Jahrhundert, als es infolge sozialer Kataklysmen, wie z.B. Revolutionen, zu einer ernsthaften Interaktion zwischen verschiedenen Kulturen kam. Aber wo wurden sie denn sonst bis dato angesiedelt? Wozu wurden denn die Menschen ins Land geholt? Um Land einzugliedern, das unbewohnt war. Und mit wem hätte man dort in Konflikt geraten können?

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